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Oper 'Aus einem Totenhaus' von der Ruhrtriennale 2023 in der Jahrhunderthalle Bochum
Neue Wege der Darstellung geht die Ruhrtriennale mit der Oper „Aus einem Totenhaus“ von Leos Janaczek. Es ist ein Psychogramm von Gefangenen Gewaltverbrechern in einem russischen Straflager. Ort ist die immer wieder schöne Jahrhunderthalle in Bochum. Man lässt jedoch zu viele Besucher der Oper optisch und akustisch regelrecht verhungern.

Es ist ein hochaktuelles Thema, wenn man die Meldungen über Putins Herrschaft aktuell in den Medien verfolgt. In der Oper sind es jedoch keine politisch Verfolgten, sondern echter Straftäter, die Menschen auf dem Gewissen haben und zurecht inhaftiert sind. Jeder erzählt seine Geschichte. Mal ist es Eifersucht, mal Verleumdung oder eine seelische Verletzung. Es gibt einen Lagermajor mit großem Stab. Er besitzt nicht nur körperliches Volumen, sondern gibt den Ton an. Bei Widerworten wird ausgepeitscht. Zwischendurch versuchen die Lagerinsassen sich das Leben durch Theateraufführungen zu erträglich wie möglich zu machen. Andere versuchen es mit Humor. Aber auch die Melancholie findet ihren Raum. Es ist ein harter Alltag mit Gewalt und traurigen Momenten.

Für die Kulisse hatte man eigentlich keine schlechte Idee, um die Geschichte so authentisch wie möglich zu präsentieren. Ein langgezogener Gefängnisraum ist an den Seiten von zwei Galerien flankiert. Die Hälfte der Zuschauer ist unten ganz dicht am Geschehen und mittendrin. Es gibt weiterhin eine Galerie 1 und in sechs Metern Höhe eine Galerie 2. So stellt man sich Gefängnisse vor, wenn man noch keines erleben musste. Bühnenoptisch gibt es nichts zu meckern, zumal das spannende Licht und die Atmosphäre der architektonisch schönen Jahrhunderthalle eine ansprechende Szenerie bieten.

Leider ist die Idee des Bühnenbildes für etwa ein Viertel der Besucher ziemlich ungünstig. Wer das Pech hat, eine Karte für die Galerie 2 zu besitzen, der schaut meistens in die Röhre, ist der Dumme. Eine Bühnenaufführung lebt grundsätzlich von den agierenden Personen. Dazu gehören ganz essentiell Körpersprache und Mimik, besonders wenn Aggressionen oder Melancholie eine wichtige Rolle spielen. Da möchte man den Akteuren in die Gesichter und in die Augen blicken. Man möchte auf Augenhöhe die Fäuste fliegen sehen. Auf Schädeldecken mit oder ohne Haare steil hinunter zu schauen ist sehr schnell ziemlich frustrierend. Man fühlt dort oben wie eine menschliche Zuschauerdrohne oder eine schöne Kulisse, für die man besser Schaufensterpuppen in orangen Overalls engagiert hätte. Mittendrin, so wie gedacht, fühlt man sich hier oben definitiv nicht, eher gefühlt ausgegrenzt. Auch akustisch kamen die Stimmen der Sänger oben nicht ausreichend an. Irgendwann ist einem die Geschichte völlig egal, man resigniert. Eine echte Bewertung der künstlerischen Leistungen der Bühnenakteure ist an dieser Stelle leider nicht möglich.

Zum Glück aber gibt es noch die Bochumer Symphoniker, die die Oper meisterhaft begleiten. Man hat sie leider ungeschickt hinter einer der Galerien regelrecht versteckt. Trotzdem erhascht man von Galerie 2 zumindest einen vagen Blick durch die gegenüber liegende Galerie auf das spielende Orchester, das durch die räumliche Anordnung keine Chance hat seine ganze Klasse zu präsentieren. Konzentriert man sich dort oben aber bewusst nur auf das Orchester, so ahnt man die wunderbaren Töne, genießt es und geht auch ein wenig mit. Schöne Streicher dringen mehr oder weniger durch jeden Raum, selbst mit eingebauten Hindernissen, im Gegensatz zu Gesangsstimmen ohne Gesichter sechs Meter unter einem.

Fazit. Ein gutes und wichtiges Thema versucht man außergewöhnlich darzustellen. Man lässt jedoch zu viele Besucher der Oper optisch und akustisch regelrecht verhungern.

Als Tipp sollte man noch wissen, dass alle Taschen, auch die kleinste und flachste Damenhandtasche, an der Garderobe abgegeben werden müssen, egal wie wertvoll der Inhalt ist! Der Veranstalter möchte es so. Wer dabei kein gutes Gefühl verspürt, der sollte seine Taschen lieber direkt im Auto lassen, als am Einlass die böse Überraschung zu erleben. Kurzfristig zum Auto joggen zu müssen ist kein guter Auftakt eines entspannten Theaterabends.

Wer nun leider eine Karte für die Galerie 2 haben sollte und diese Zeilen liest, dem sei empfohlen, vorher noch die sehr sehenswerte Installation „Jetzt & Jetzt“ in der benachbarte Turbinenhalle zu besuchen. Zwei Stunden sollte man einplanen. Hier ist alles sehr gastfreundlich organisiert. Taschen kann man bei sich tragen. Allein dafür lohnt schon die Anreise sehr.

Datum: 31. August 2023

www.ruhrtriennale.de