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Schauspiel 'Kinder der Sonne' im Schauspielhaus Bochum
Mit der guten Inszenierung von „Kinder der Sonne“ von Maxim Gorki entführt das Schauspiel Bochum ins tiefste Russland. Die mit sich selbst beschäftige und gelangweilte Oberschicht trifft auf den Rest des Volkes, das arg zu kämpfen hat.

Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik hat sich dieses Stoffs angenommen. Sie arbeitet erstmals am Haus. Es ist ein dichter Stoff. Der Wissenschaftler Protassow (Guy Clemens) möchte rein wissenschaftlich die Menschheit befreien. Mit geistigen Scheuklappen versehen führt er sich und seine Familie in den Ruin. Seine Frau (Anna Blomeier) hat die Liebe längst abgeschrieben und hat Augen für andere. Selbst für seine Verehrerin (Karin Moog), die seine wissenschaftliche Arbeit bestaunt, hat er keine Augen. Tochter Lisa (Anne Rietmeijer) begreift, was um die Familie herum und intern geschieht und leidet unter psychischen Problemen. Als ihr zunächst verehrter und später zurückgewiesener Tierarzt (Dominik Dos-Reis) sich das Leben nimmt, geht alles den Bach herunter. Die Cholera steht nicht nur vor dem Haus, sondern hat sich auch drinnen eingenistet. Als täglich weltfremder Langeweile der Oberschicht wird Panik vor einem verlorenen Status.

Es ist das charakteristische Gesicht einer russischen Gesellschaft, bestehend aus einer kleinen Schicht offenbar wohlhabender Menschen und der breiten Masse, die auch 1905, im Entstehungsjahr des Stoffes, auf der Straße für mehr Gerechtigkeit demonstrierte. Maxim Gorki schrieb das Stück damals in politischer Gefangenschaft, hinter Gittern. Um der Zensur zu entgehen, verlegte er das Geschehen ins Jahr 1892, die Zeit der Hungersnot und der Cholera.

Der Stoff ist extrem dicht, wie auch das Bühnenbild, ungewöhnlich verschachtelt und voll. Protassow verschwindet ständig hinter Türen, die seine Labore sind. Im Haus herrscht eine bedrückende Atmosphäre, trotz gut situierter Einrichtung. Die Dienstmädchen (Amelie Wilberg und Emily Lück) müssen das alles ertragen und wissen genau, dass nur eine Eheschließung in bessere Verhältnisse vermeintliches Lebensglück verspricht. Die Standesverhältnisse werden optisch und in den Dialogen sehr gut wiedergegeben. Der Status bröckelt allerdings sichtbar. Da ist der Mob vor der Tür, der Protassow für die Cholera mit verantwortlich macht. Fensterglas klirrt. Nicht nur die Zarenfamilie musste damals erleben, wie schnell und mächtig das Volk die Oberschicht stürzen kann. Der sich ständig verschlechternde Zustand lässt sich am besten am Verhalten von Lisa ablesen, die immer verstörter wirkt. Das gute Stück hat durchaus symbolhaften Charakter für die Zustände im heutigen Russland, die schwer zu überwinden sind, was das Thema freiheitliches Denken betrifft.

Datum: 8. Oktober 2022

www.schauspielhausbochum.de