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Schauspiel 'Der lange Schlaf' 2023 im Theater Oberhausen
Mit dem packenden Stück „Der lange Schlaf“ des australischen Autoren Finigan Kruckmeyer feierte das Theater Oberhausen seine letzte Premiere der ersten Spielzeit unter neuen Intendantin Kathrin Mädler. Können wir die Erde retten, indem wir die Menschheit ein Jahr lang schlafen lassen? Oberhausen ist erst das zweite Theater, nach Hamburg, wo dieses Stück im deutschsprachigen Raum zu sehen ist.

Die Probleme sind bekannt. Der Heimatplanet des Menschen läuft hausgemacht aus dem Ruder. Dürren, Überschwemmungen, tropische Temperaturen in Südeuropa und sinkende Flusspegel am Rhein gehen regelmäßig durch die Nachrichten. Acht Milliarden Menschen sind schlicht viel zu viele, der Hauptgrund für das Problem. Sie vermehren sich konstant und breiten sich immer mehr aus, benötigen Wasser, Energie, Nahrung und stoßen Kohlendioxid aus. Wie kann man das Raubtier Mensch davon abhalten, weiter Raubbau an der Erde zu praktizieren?

Der Stoff von Finigan Kruckmeyer ist hochaktuell und hart. Es ist eine Mischung aus Weltuntergangsstimmung, einem Krimi, einem Gedankenspiel, einem Alptraum und einer guten Portion Humor, die nicht fehlen darf. Wir schreiben das Jahr 2030. In der australischen Hauptstadt Canberra sitzt ein Bundesminister für Weltraumangelegenheiten (Klaus Zwick) an seinem Schreibtisch. Er schiedet Pläne für eine menschliche Besiedlung des Mars durch die Menschheit. Seine Beraterin Emily (Simin Soraya) präsentiert ihm ihre Vision. Die gesamte Menschheit soll durch das Gas 52E-501E für ein Jahr in einen Dauerschlaf versetzt werden. Währenddessen kann sich die Natur erholen und regenerieren. Es wird kaum Kohlendioxid ausgestoßen. Die Tiere werden sich selbst überlassen. Das gesamte menschliche Leben weltweit soll stillstehen. So der Plan, den der Minister gerne aufgreift und weltweit dafür wirbt. New York und Singapur steigen mit ins Boot. Der Plan wird realisiert. Die Endzeitfiktion auf der Suche nach der Hoffnung beginnt.

Ein Bild prägt das Stück doch sehr deutlich, politische Entscheider die nur selten einen Sachverhalt zu Ende denken. Nicht jeder, aber der typische Spitzenpolitiker ist machtbewusst, von Zuarbeitern fachlich abhängig und von Aktionismus geprägt. Er liebt das Spiel mit den Medien. Auch auf der Bühne bestimmen pseudoaristokratische Entscheidungen den Eindruck, etwas zu machen. Den nicht demokratisch gewählten Gegenpol bildet hier Emily, die Klimaaktivistin, die ähnlich laut, wenig durchdacht und bestimmt ihre Thesen verkündet.

Doch ist der lange Schlaf wirklich die Lösung des Problems? Sind die Opferzahlen bei diesem Experiment kleiner als wenn man weniger radikal handeln würde? Geschickt spielt das Stück in verschiedenen Orten dieser Erde, in Lagos/Nigeria, im Libanon, in den USA, Südostasien und natürlich Canberra/Australien. Alle haben andere Lebensbedingungen und Umweltprobleme.

Ganz wichtig ist es alle Haustiere frei zu lassen. Sie würden im Haus hungrig ihre schlafenden Menschen fressen. Es kommt der Punkt, wo sich alle Menschen schlafen legen sollen, eine Art politisches Diktat. Zwei sind jedoch gegen das Gas resistent. Als sehr gelungen agierendes Paar finden sich Maggie (Franziska Roth) und Pete (Khalil Fahed Aassy). Langeweile bestimmt ihren Alltag. Sie machen Dinge, die sie sonst nicht machen würden, werden zu Kleinkriminellen und meinen dabei nicht beobachtet zu werden. Die Überwachungskameras schlafen genauso wenig wie sie. Sie saugt Benzin aus Autos, denn Tankstellen sind alle geschlossen. Bin ich alleine? Es ist ein Leben im Schweigen. Mit sich selbst zu lachen ist unmöglich, bis man sich nach langen elf Monaten findet, mitten in der Ödnis des langen Schlafes.

Was verändert sich tatsächlich? Eine neue Weltordnung entwickelt sich. Tiere übernehmen die Herrschaft. Die Macht des Stärkeren sorgt dafür, dass Milchkühe aussterben, Hunde überleben. Fluten und Brände schicken ahnungslos Schlafende ins Jenseits. Chaoszustände auf der Bühne und akustische Andeutungen unterstreichen die Situationen. Als nach 365 Tagen der Schlaf vorbei ist, nimmt das Experiment weiterhin seinen Lauf. Es gibt Gewinner und Verlierer. Einige sind verstorben oder verwirrt. Gewisse Tierarten haben sich vermehrt, andere wurden stark dezimiert. Vögel haben unsere Lebensräumen in Massen eingenommen, leben in unseren Häusern, eine gruselige Anspielung auf Alfred Hitchcock. Jäger können ihre kühnsten Träume nun endlich umsetzen, denn der Mensch muss wieder die Herrschaft übers einen Lebensraum erlangen. Irgendwie fühlt sich das Experiment als gescheitert an.

Hervorzuheben ist die klasse gestaltete Bühne. Tolles Licht, exzellente Videoprojektionen und ein Baum auf dem Kopf, als Sinnbild der Probleme, werden umrahmt von weißen Lichtleisten, die auch als optische Szenenwechsel geschickt fungieren. Super!

Das exzellent gelungene Stück ist der Versuch Dystopia zu vermeiden, zeigt dabei allerdings eine andere Form von Weltuntergang auf. Der Mensch ist ein geistig begrenztes Wesen, welches als größtes Raubtier der Erde niemals gewinnen kann. Falsche Entscheidungen werden oft getroffen, wenn die eigene Spezies in Gefahr ist. Das Stück verdeutlicht die Unsicherheit auf der Suche nach Lösungen. Dieser Versuch wird auf der Bühne diskutiert, wobei auch deutlich kritische Zweifel aus dem Volk zu hören sind. Es gibt ein Schriftband als Zeitleiste, beginnend 18 Monate vor dem Schlaf bis hin zur zweiten Auflage, zehn Jahre später. Die Menschheit ist offenbar nicht in der Lage aus Fehlern zu lernen. Ganz wichtig ist dabei auch das Kind auf der Bühne, als Sinnbild für die Zukunft. Wird es eine Zukunft als Ponyhof oder Alptraum? Vermutlich irgendein Tausende Jahre langes Siechtum dazwischen. Kann die Menschheit überhaupt überleben? Wir werden die Antwort nicht mehr erleben. Es ist in allen Belangen ein exzellenter Abend, der definitiv zu Diskussion anregt.

Einen Glückwunsch an das Team des Theater Oberhausen, für eine so klasse, erste Spielzeit.

Datum: 26. Mai 2023

www.theater-essen.de