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Schauspiel 'Die Brücke von Mostar' im Theater Oberhausen
Mit der großartigen Inszenierung von „Die Brücke von Mostar“ behandelt das Theater Oberhausen ein Thema, das ein düsteres Kapitel der europäischen Geschichte darstellt. Regie führte Anna Bader und auch schauspielerisch ist hier große Klasse zu erleben. Das Stück drückt einen in den Theatersessel.

Mostar steht für das Symbol des Bosnien-Kriegs. Die über 300 Jahre alt Brücke überlebte den Krieg nicht, wurde wieder aufgebaut, aber echter Frieden ist bis heute nicht eingekehrt. Der Stoff beginnt 1988 und endet 2004. Es geht los in den 80ern, mit den typischen Kostümen der Zeit, die sehr gelungen sind. Mina (Franziska Roth), Laila (Ronja Oppelt), Sascha (David Lau) und Milie (Philipp Quest) feiern über alle Grenzen der Regionen hinweg ihre Zeit, sie tanzen und singen. „Girls wanna have fun“ und „Time of my life“ ist ihr Soundtrack. Man verliebt sich oder springt von der Brücke.

Der Spaß hat allerdings recht bald ein Ende. Religiöse Dummköpfe und Nationalisten teilen die Stadt unter sich auf. Es fallen Bomben und Scharfschützen sitzen auf den Dächern. Die Clique geht kaum noch vor die Tür, teilt ihre wenigen Lebensmittel und passt gut auf sich auf. Man hört die Szenerie draußen, das dumpfe Grollen der Bomben. Man macht sich Sorgen um die Angehörigen. Plötzlich werden die kleinen Momente des Lebens zu ganz großen, dank Alkohol und Zigaretten. In diesen Momenten kommt immer wieder mal ihr alter Soundtrack ins Gedächtnis. Es tut ihnen gut, bis zum nächsten Bombengrollen. Dabei stumpfen sie immer stärker ab, wenn es um den Tod geht, der in den Straßen von Mostar Alltag ist. Solange nicht sie oder Angehörige betroffen sind, geht es sie wenig an, doch auch das ändert sich unvermeidlich.

Als Erzählerin und auch als Stimme der Gedanken Minas fungiert klasse Simin Soraya als Emina. Sie transportiert verbal die Gefühle und Emotionen, die die Clique immer stärker in Bedrängnis bringt. Mina Liebe zu Milie wird durch den Krieg auf eine harte Probe gestellt. Wie sollen sie mit dieser Situation umgehen? Ihr im Fortgang immer häufigeres Schweigen füllt Emina mit ihren Worten. Szenisch wird die Bühne so in ihrer ganzen Tiefe ausgezeichnet für die Darstellung wichtiger Aspekte genutzt. Zwischendurch hört man regelmäßig den Satz „Es geht mir gut“, was so viel bedeutet wie noch am Leben zu sein. Ähnliches gilt für den häufigen Blick auf die eigenen Füße. Die Symbolik des Krieges und das damit Umgehen ist in kleinen Momenten besonders deutlich. Als am Ende ein letztes Mal „Time of my life“ als geistige Erinnerung als unbeschwerte Zeiten erklingt, hört sich das jedoch schon ziemlich befremdlich und doch treffend an. Der Krieg hat die Clique nicht nur auseinander gerissen, sondern auch tiefe Narben hinterlassen. Er ist ein ein Teil ihres Lebens, leider nicht mehr für alle.

Nicht nur die schauspielerischen Leistungen sind klasse, auch das Bühnenbild (Luisa Wandschneider). Es ist einer Draufsicht eines Wohnungsgrundrisses nachempfunden. So ergeben sich schöne Räume zum Agieren. Die Inszenierung wirkt niemals statisch, immer lebendig und in ihrer Entwicklung dramatisch. Auch Kostüme (Syvia Rieger) und Licht (Stefan Maik) verdienen großes Lob.

Der Autor Igor Memic ist selbst geflüchtet, hat den packenden Stoff in London verfasst. Er kennt diesen Krieg und die Erfahrungen der Flucht sehr gut, beschreibt es absolut authentisch. Ein zufälliger Besucher des Stücks, der in Mostar geboren wurde und dort lebte, sprach gegenüber der Redaktion davon, dass das Bühnengeschehen sehr authentisch die wahren Gegebenheiten transportiert, zeigte sich sehr berührt. „Wir leben noch“, so sein nachdenkliches Fazit. Ein besseres Kompliment kann eine Inszenierung eigentlich nicht bekommen.

Datum: 23. September 2023

theater-oberhausen.de