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Schauspiel 'Merlin oder das wüste Land' im Grillo Theater
Das Grillo Theater in Essen schließt die erfolgreiche Intendanz von Christian Tombeil mit der großartigen Premiere von „Merlin oder das wüste Land“ ab. Es ist ein Wunschstück des Ensembles, welches von Lars-Ole-Walburg sehenswert inszeniert wurde. Selbst 220 Minuten Spielzeit plus zwei Pausen sind keineswegs zu lang. Die insgesamt viereinhalb Stunden hätten durchaus auch länger sein dürfen.

Wie gehen die Menschen gegenseitig mit sich um und warum gibt es so viele Konflikte, in Kleinen, wie im Großen? Merlin (Thomas Büchel) wird auf der Bühne von drei Bräuten (Lene Dax, Trixi Strobl, Janina Sachau) als Riesenbaby geboren. Er soll mit seinen besonderen Fähigkeiten die Menschheit retten. Zaubern kann er, ist weise und blickt in die Zukunft, aber ist diese Aufgabe nicht mindestens eine Nummer zu groß?

Bei dieser Inszenierung gibt man alles, was das Theater hergeben kann, hinter und auf der Bühne. So ein märchenhafter Epos muss groß dargeboten werden, hier sogar in drei ziemlich unterschiedlichen Akten. Der noch zusätzliche Prolog findet sogar im Foyer statt, wo das Publikum von ersten Akteuren eingestimmt wird. Ist der Friedensstifter Merlin dann auf der nach vorne verlängerten Bühne geboren, die ersten neuen Sitzreihen fallen weg, so lernt man die Charaktere kennen. Wer ist wer und wie mit wem verwandt? Bei 14 SchauspielerInnen ist das gar nicht so leicht, aber schließlich durchschaubar. Es werden Träume von einem friedlichen Miteinander formuliert, wobei aktuelle Themen und historische Ereignisse verbal und filmisch mit in die Wünsche eingeflochten werden. Warum gehen Menschen blutig aufeinander los? Der Teufel in Person von Ines Krug ist stets gerne präsent, wie auch der märchenhafte Schneezauber, zwei absolute Gegensätze. Humor kommt jedenfalls nicht zu kurz und auch der Soundtrack enthält bekannte Melodien sowie elektronische Passagen.

Die Figuren auf der Bühne haben durchaus märchenhafte Züge, die aber auch Geheimnisvolles, Mystisches und Grausames inne haben. Ohne zahlreiche Leichen ist dieses Stück nicht zu inszenieren. Auch das Ende ist eher dystopisch als märchenhaft. Die Liebe zueinander wird kaum zugelassen, sogar hier und da betraft. Moraltugenden müssen für den Machterhalt herhalten. Listige Aktionen haben meist ungute Folgen für das Miteinander. Man zieht in die Schlacht und das auch gegeneinander. Die Ritter von König Artus (Philipp Noack) kämpfen für das Gute, richten dabei jedoch das Gegenteil an. Selbst der Papst, groß gespielt von Rezo Tschchikwischwilli, kann nur um Gnade bitten, aber nichts retten. Eine besondere Rolle ist die des Sir Lancelot (Alexey Ekimov). Er ist der heldenhafte Ritter, der Liebhaber von Königin Ginevra (Janina Sachau) und ein tragischer Mörder zugleich. Als Chronist fasst Sven Seeburg das Geschehen immer wieder gut zusammen. Manchmal sind es die Solopartien einzelner Rollen, die glänzen, so auch Trixi Strobel als Tochter von König Artus im dritten Teil. Klasse ist ebenso der Dialog zwischen Elaine und der Königin. Die bekannten Qualitäten einer Janina Sachau oder eines Jan Pröhl muss man nicht besonders hervorheben. Man merkt dem gesamten Ensemble an, dass es lustvoll und hochkonzentriert bei der Sache ist, um ein großes Finale auf die Bühne zu zaubern.

Gerne spielt man auch mit der Sitzanordnung des Publikums. Nach der ersten Pause ist es unbedingt ratsam sich bei freier Platzwahl einen Sitz im mittleren Teil auf der Bühne zu suchen. So ist man ganz nahe an den SchauspielerInnen dran. Ein anderer Teil sitzt dann sogar hinten auf der Drehbühne, die eine Revue-Kulisse bietet.

Es war ein klasse Premierenabend für das alte und lieb gewonnene Ensemble am Grillo, welches fast komplett spielte. Einige SchauspielerInnen werden unter der kommenden Intendanz nicht mehr in Essen zu sehen sein. Einer fehlte auf jeden Fall, Stefan Diekmann. Die Verabschiedung von sehr verdienten Schauspielern erkennt man auch an den außergewöhnlichen Kostümen. Der großartige Rezo Tschchikwischwilli durfte in den edelsten Gewändern glänzen. Auch beim fulminanten Schlussapplaus ließen sich Schlüsse ziehen. Silvia Weiskopf schien der letzte Vorhang ordentlich mitgenommen zu haben, müsste von einem Schauspielkollegen in den Arm genommen und getröstet werden. So sind nun mal die Dinge, wenn eine neue Intendanz kommt. Mal abwarten, in welche Richtung das Grillo in der nächsten Spielzeit unter einer weiblichen Doppelspitze steuert. Nach Christian Tombeil und dem Finale mit „Merlin oder das wüste Land“ liegt die Messlatte ziemlich hoch.

Datum: 29. April 2023

www.theater-essen.de