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Recherchereise: Burbach im südlichen Siegerland
Im kleinen Ortsteil Burbach-Lützeln sind die Ziegen los. Ruben und Anna-Lena Reuter gehen mit ihren Tieren durch den Hickengrund spazieren. Die Gäste erfahren dabei hautnah, wie Ziegenböcke wirklich sein können.

Schon mal mit Ziegen spazieren gegangen? Ruben und Anna-Lena stammen aus einer Familie, in denen Herdentiere aus Tradition gehalten wurden. Ihr Hof direkt am Waldrand bietet ideale Bedingungen Tiere zu halten. Nach reiflichem Überlegen entschied man sich vor zwei Jahren gegen Alpakas und für Ziegen, alles kastrierte Ziegenböcke, keine Weibchen. Erst hatte man mit Gustav und Kalle zwei Burenziegen, also ursprünglich reine Fleischziegen, angeschafft. Sie können ausgewachsen bis zu 120 kg auf die Waage bringen und eine Schulterhöhe von 100 cm erreichen.

Nur etwas später kamen mit Hansi, Willi und Rudi drei Tauernschecken-Ziegen hinzu. Diese bedrohte Art wurde als kleine Population in Österreich gerettet. Heute funktioniert die Zucht dort sehr gut. Insgesamt gibt es wieder rund 2.000 Tiere, nicht so viel, aber ein Erfolg. Bis zu 85 kg und 90 cm Schulterhöhe können sie erreichen, wahrlich keine Zwergziegen. Ganz frisch mit auf der Weide sind zwei drei Monate alte Tauernschecken, Sepp und Fritz, die allerdings noch nicht mitwandern. Sie müssen erst einmal ihre neue Herde kennenlernen, sich in der Rangordnung hinten anschließen und sich an ihre Menschen gewöhnen.

Beide Ziegenrassen sind im Erscheinungsbild fern den Ziegen, die wir aus dem Streichelzoo kennen. Sie sind farblich gescheckt, wesentlich größer, kräftiger und streichen ihren Charakter deutlich und selbstbewusst hervor. Die ältesten Tiere sind gut zwei Jahre alt, also noch im wilden Alter. Sie unterscheiden sich u. a. darin, dass sie eine dicke Schädelplatte oder Hörner besitzen. Beides hilft im Kampf miteinander oder gegen Feinde. Ein Wolf würde sich an solch kräftige Ziegen erst als letztes heran wagen. Diese Ziegen wissen sich zu wehren. Den Menschen tun sie in der Regel nichts, außer man vergisst sie goldene Regel und packt sie an den Hörnern. Das ist eine Aufforderung zum Duell.

Die Wanderung beginnt damit, dass jeder ein Säckchen Kraftfutter mitbekommt, um die Tiere zu belohnen. Jeweils eine Ziege wird einem Menschen zugeteilt, inklusive Leine. Man spürt schnell, welche Kraft die Tiere haben. Erwachsene können sie halten, Kinder im Grundschulalter eher weniger. Trotzdem sind sie herzlich willkommen und bekommen am Ende sogar ein Ziegendiplom. Hier kann man jede Menge lernen, besser als jeder Bio-Unterricht. Aktuell können Ruben und Anna-Lena aber nur mit der gesamten Herde laufen. Bliebe ein Bock zurück, würde die wandernde Herde irgendwann umkehren, so sehr halten die Böcke zusammen. Fressen ist die Lieblingsdisziplin. Diese Ziegen fressen nahezu alles, was Schafe, Pferde oder Kühe verschmähen, also Dornenbüsche, Brenneseln, Fallobst, Brombeeren, Rinde, aber nicht so gerne Gras. Per Köttel verbreiten sie unterwegs dann die Samen. Sie sind die idealen Landschaftspfleger.

Nach einer Weile lässt man sie von der Leine. Jetzt dürfen sie sich nach Herzenslust ihre schmackhaften Lieblingsbüsche aussuchen. Gerne macht man sich so groß man kann, um auch höhere Zweige zu erreichen. Trotzdem würden sie nie davon laufen. Spätestens nach einem „Komm, komm, komm“ der menschlichen Ziegenmama, sind wieder da. Wild streunen sie dann zwischen den Menschen umher. So eine Wanderung ist für sie spannend. Es gibt so viel Fressbares am Wegesrand zu entdecken und nur darum geht es ihnen. Gegen Ende der Wanderung nehmen die Menschen ihre wilden Geschöpfe wieder an die Leine. Man möchte ja keine anderen Wanderer erschrecken. Trotzdem passieren manchmal unvorhergesehene Dinge. Willi ist ein wenig trottelig und so kam es, dass er mit einem Bein hoch in einer Astgabel eines Baumes hängen blieb, einfach zu gierig. Anna-Lena holte Hilfe aus dem Dorf, man trug den erschöpften Bock zur nächsten Schubkarre und führte ihn auf seine Heimatweide. Willi trug eine leichte Bänderdehnung davon.

Das Wellness-Programm für die Böcke erfolgt im Anschluss auf der Weide. Jeder Mensch bekommt eine Bürste. Die Ziegen lieben es gestriegelt und gekrault zu werden. Dann geht das Schwänzchen nach oben. Im Anschluss legen sie sich zum Wiederkäuern, eine Ziege hat vier Mägen, satt auf den Boden. Man müsste Ziege auf diesem Hof sein. Hier lässt es sich als Bock wie im Paradies leben, auch ohne Damen.

Von weiblichen Tieren nimmt man auch deshalb Abstand, weil sie bis zu sechs Liter Milch täglich geben. Um Ziegenkäse zu produzieren müsste man aufwändig in teure Produktions- und Lagertechnik investieren. Vielleicht später einmal. Noch ist man am Anfang und sammelt viele Erfahrungen. Die Ziegen sind Rubens und Anna-Lenas Hobby, neben ein paar Schafen, die es ebenfalls auf der Nachbarweide gibt.

Man denkt auch weiter. Ziegen sind durchaus in der Lage Ängste zu nehmen, wenn man ängstliche Kinder positiv und behutsam an die Böcke heranführt. Ihr eigener Nachwuchs, an Körpergröße noch kleiner als die Böcke und soeben auf den eigenen Beinen, bewegt sich völlig angstfrei auf der Weide. Es gibt sogar Anfragen aus Altenheimen, doch mal mit den Tieren zu kommen, selbst zu den bettlägerigen Bewohnern in die Zimmer, um den Alltag dort aufzulockern. Für die trockenen Köttel gibt es Handfeger und Kehrblech, also kein Problem. Wohl ein Projekt für die nahe Zukunft.

Es sind verschieden lange Touren im Programm. Man sollte allerdings eine Gruppe sein. Ziegen sind und bleiben Herdentiere. Diese Touren sind immer extrem unterhaltsam, lehrreich und nie langweilig.

Eine Frage bleibt noch. Wie kommt es zum Namen „Hickengrund“? Es gibt zwei Erklärungen. Einst soll Napoleon seine Truppen durch das Tal geführt haben. Das Dorf war von hohen Hecken (= Hicken) umgeben. Er zog vorbei. Aus Wut darüber ließ er anschließend alle Hecken zerstören. Eine andere Geschichte erzählt von einem gewissen Hans Hick, der ganz in der Nähe einen Riesen besiegte, in dem er ihm einen großen Stein in den Mund schleuderte.

Datum: 3. bis 5. Juli 2023

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