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Schauspiel 'Am laufenden Band' im Schauspiel Bochum
„Am laufenden Band“ ist der Titel einer eindrucksvollen Inszenierung im Schauspielhaus Bochum. Nicht ein niederländischer Showmaster steht hier im Mittelpunkt, sondern die Produktion unserer Lebensmittel und die Menschen in den Fabriken. Noch Lust auf Garnelen, Fisch, Tofu oder Fleisch?

Regisseur Tom Schneider zeichnet mit dieser Inszenierung ein düsteres Bild der Arbeit, wie es nicht selten in Deutschland vorherrscht. Als Beispiel wählt er die Lebensmittelindustrie, insbesondere die Verarbeitung von Fisch, Meeresfrüchten und die Situation in Schlachthöfen. Zeitarbeiter verdrängen hier einen nicht kleinen Teil der Festangestellten. Sie sind froh einen Job, eine bezahlte Beschäftigung zu haben. Zweieinhalb Jahre hat der Autor Joseph Ponthus, ein studierter Geisteswissenschaftler, in solchen Arbeitsmühlen malocht. Er wollte nicht journalistisch im Wallraffschen Stil aufdecken, sondern war neugierig und hatte dabei immer im Kopf, wieder aussteigen zu können, im Gegensatz zu seinen Kollegen. So spürt man in seinen Erzählungen eine gewisse Distanz mit einem zeitweise erkennbaren Humor. Zwischendurch genießt man mal eine Garnele, wenn kein Chef in der Nähe ist. Immer wieder formuliert er während der monotonen Arbeit seine eigenen Texte im Kopf, ohne sie je aufzuschreiben. Manchmal ist es auch nur ein Song, der einem während der stupiden Tätigkeit die ganze Schicht über durch den Kopf geht. Es ist ein Brotjob, da fragt man nicht nach Tätigkeiten, man macht es einfach, mal für ein paar Tage oder auch ein paar Wochen. Dann dient man wieder neuen Chefs, der Alltag von Zeitarbeitern.

Der erste Teil spielt inmitten von Fisch und Meeresfrüchten. Eigentlich ganz lecker, wenn man aber tonnenweise täglich damit zu tun hat, dann wird es anstrengend und oft monoton. Das Fließband läuft immer weiter, während man Fische aussortiert oder Garnelen nach ihrer Größe trennt. Teuer landen sie dann im Discounter-Regal. Den ganzen Tag unzählige Paletten von Tofu zu waschen ist auch sehr einprägsam. Der zweite Teil zeichnet ein Bild der Fleischindustrie, das man mit eigenen Augen lieber nie sehen live möchte. Die Arbeit im Schlachthof muss ein einziger Albtraum sein, wenn man nicht gerade Chef ist. Man schiebt fünf halbe Rinder á 400 kg mit einem Schub und spürt plötzlich Muskeln, die man vorher nicht kannte. Blut- und Fettlachen müssen nachts chemisch gereinigt werden. Andere sortieren diverse Teile eines Rinds. Steht eine Betriebsinspektion an, wird alles poliert. Dann packen selbst die Chefs mit an. Dazu tanzen auf der Bühne die Scheinwerfer im Takt der Arbeit. Trotzdem behalten viele dieser Zeitarbeiter ihren Humor. Einen noch schlechteren Job gibt es ganz bestimmt irgendwo. Wie gut, dass diese Inszenierung ohne authentische Duftstoffe arbeitet.

Zwei Besonderheiten gibt es szenisch. Der Soundtrack wird live als Loop auf der Bühne durch aufgenommene Geräusche kreiert. Zudem tragen die SchauspielerInnen jeweils einen Knopf im Ohr, über den sie den Text eingesagt bekommen. Sie können sich voll auf das Spielen konzentrieren und den Umgang mit den Akkordeons, die den Takt der Arbeit, aber auch die Melancholie darstellen. Ist man wieder aus der Firma heraus, so genießt man müde den Himmel und die frische Luft. Ein Ende hat diese Art der Arbeit nicht. Fleisch und Fisch werden genauso benötigt wie Tierfutter oder Kartonagen für Verpackungen. Dabei geht man in Bochum mit der Frage nach Hause, wie der Begriff Arbeit definiert werden kann. Ist geistige Arbeit höher zu bewerten als harter Schweiß und Rückenschmerzen, oder doch vielleicht umgekehrt?

Zu empfehlen ist das Programmheft, das mit sehr guten und anregenden Texten überzeugt.

Datum: 29. März 2023

www.schauspielhausbochum.de