Eine sehr gelungene Premiere feierte die Komödie „Viel Lärm um Nichts“ von William Shakespeare im Theater Oberhausen. Regie führte die noch junge Anne Mulleners357929-ftp. Einen Shakespeare in nur zweieinhalb Stunden zu inszenieren ist wirklich ungewöhnlich und angenehm zugleich. Trotzdem geht dem Stoff dabei nichts verloren. Im Gegenteil, durch die klar und frisch inszenierte Handlung dieser Komödie wirkt die Handlung straffer und in die Gegenwart projiziert, denn der Stoff ist nahezu zeitlos. Was ist Liebe? Wozu taugt die Ehe? Welche Rollen nehmen dabei Mann und Frau ein? Bei den Proben hat man viel über solche Fragen diskutiert und die Gedanken in den Text eingefügt. Es ist also ein Mischtext mit etwa 85% Anteil des Originaltextes. Wenn das Stück uns eines lehrt, dann sicher die Erkenntnis, dass die Wahrheit über das Falsche und die Intrige siegt. Das Gesellschaftsbild zu Shakespeares Zeiten war ein völlig anderes. Intrigen galten als lustige Beschäftigungstherapie gelangweilter Herren. Opfer waren nicht selten die Frauen. Auch Hero (Nadja Bruder) ist solch ein Opfer. Während der Vermählung wird sie öffentlich von ihrem Geliebten diffamiert und fortgestoßen, weil Don Juan (Regina Leenders) es so wollte. Die quirlige und schlaue Beatrice (Ronja Oppelt) kann sie mit ihren modernen Ansichten schließlich alle überzeugen und mitreißen. Sie steht für ein starkes Frauenbild, das sich männlichen Intrigen dynamisch widersetzt. Schauspielerisch kann man nicht meckern. Ronja Oppelt, Oliver El-Fayoumy und Agnes Decker (Gast) in der Rolle als Borachio stechen allerdings hervor. Richtig gut gefallen das Bühnenbild von Matthias Dielacher sowie die Kostüme von Chani Lehmann. Die Bühne kommt überhaupt nicht reduziert daher, wie sonst bei Shakespeare so üblich. Sie ist eine Mischung aus Antike und Moderne, mit sich plötzlich öffnenden Luken für Überraschungsmomente. Das menschliche Herz ist vergrößert immer sichtbar, ein Symbol des menschlichen Miteinanders. Dabei arbeitet man ganz fein und präzise mit der Drehbühne. Die ebenso prächtigen Kostüme sind durchaus edel konzipiert, haben aber auch jede Menge spielerische Elemente, die bei der häufigen Selbstironie des Stoffes durchaus angebracht sind. Alles wirkt so erfrischend anders, aber niemals stilistisch überdreht. Die Ernsthaftigkeit des Stoffes, der Humor und die Transformation in die Moderne gehen wunderbar einher. Live-Gesang ist ein wichtiger Bestandteil des Abends. Man ergründet so die Definition der Liebe. Es ist ein wilder Ritt von Rio Reiser, über Herbert Grönemeyer bis Taylor Swift. Das Ende ist bei dieser Inszenierung etwas differenzierter dargestellt. Hero erwacht als Kunstfigur aus ihrem langen Schlaf. Es geht zwischen ihr und Claudio (Khalil Fahed Aassy) zwar leidenschaftlich zu, aber scheinbar mit offenem Ende, während Beatrice und Benedikt (Oliver El-Fayoumy) unsicher und eher unfreiwillig sich die Liebe bestätigen, wie auch immer diese bei Menschen gelebt wird, die sich eigentlich gar nicht verlieben möchten. Zum Schluss kommt ein Text von Rilke zu Wort. Die Liebe als Wächter der Einsamkeit ist ein interessanter Gedankenansatz in der heutigen Zeit. Dabei lassen sich die Weite oder die Nähe in der Ehe durchaus miteinander abstimmen. Für Paare im Publikum ist das der Moment, sich auch mal tief in die Augen zu blicken und ihre Beziehung zu hinterfragen. Auch Intendantin Kathrin Mädler gefiel dieser Abend. „Wir müssen öfter Komödien machen“, so ihre Erkenntnis. Das Theater Oberhausen kann, entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, auch Klassiker und Komödien gelungen auf die Bühne bringen. Datum: 5. Oktober 2024 (Premiere) theater-oberhausen.de |
Schauspiel 'Viel Lärm um Nichts' im Theater Oberhausen, Foto: Jochen Quast nächstes Foto |