Das Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen bringt die sehr gelungene Familienoper „Hänsel und Gretel“ auf die Bühne. Die Premiere wurde mit großem Applaus gefeiert. Es ist die letzte Inszenierung von Michael Schulz am Haus. Es ist ein märchenhafter Stoff, der allerdings inhaltlich von bekannten Märchen etwas abweicht. Die Mutter verstößt ihre Kinder nicht, sondern schickt sie zum Erdbeeren sammeln in den Wald. Als er Vater nachhause kommt, machen sich die Eltern Sorgen, wo ihre Kinder bleiben. Sie haben sich im Wald verlaufen und geraten später in die Fänger der Knusperhexe „Rosine Leckermaul“. Hier geht es nicht so grausam wie im bekannten Märchen zu. Als die Hexe überlistet ist, wird sie nicht in den Ofen gestoßen. Die reale Zeit ist grausam genug. Sie wird gefesselt und scheitert an ihrer Gier. Eine andere wichtige Änderung ist die Hinzufügung des Namenlosen als verstoßener, dritter Sohn der Eltern. Von der Hexe wurde er verzaubert und am Ende aus Versehen entzaubert, das gute Gewissen des Abends. In ihren Botschaften wurden die Inhalte geschärft, gesellschaftliche Probleme aufgegriffen, Kontraste gut herausgearbeitet. Arm und reich, Ängste und Sorgen gegen Hoffnungen und Träume, Streit und Zusammenhalt oder Gier und Ungerechtigkeit spielen eine große Rolle. Es ist ein Aufruf zu mehr Solidarität. Das zauberhafte Bühnenbild hat man von der Oper „Das schlaue Füchslein“ übernommen, ein romantischer und geheimnisvoller Wald. Nur die Waldinsel, das Hexenhaus und fantastische Kostüme hat man hinzugefügt. Wundersame Wesen, wie ein Igel, ein Hirsch, ein Hase, ein Fuchs, Insekten, ein Käfer, ein Wolf und eine Schnecke mit dem richtigen Timing begegnen sich hier. Ein großes Lob an die Statisterie. Das Hexenhaus erinnert an eine historische Kirmesbude mit einem Schaukelpferd und Leckerlis, sehr verführerisch, eine pink-grelle Welt in dunklen Wald. Kann man ihr trauen? Das Spiel mit der Unterbühne als Folterkerker der Hexe ist ebenso gelungen. Dazu gibt es Magie, einen fliegender Besen und einen Zauberstab. Musikalisch bemerkt man Anspielungen an Richard Wagner und Richard Strauß. Humperdinck war Assistent von Wagner und Strauß dirigierte die Uraufführung. Es ist eine große Besetzung. Enthalten sind bekannte Volkslieder oder Vogellaute. Die neue Philharmonie Westfalen transportiert die Handlung hervorragend. Es ist bei allen Beteiligten eine große Spielfreude zu spüren. Dabei ist der über 80 Kinder starke Kinderchor, bestehend aus den MIR-Kinderchor und Kindern der Akademie für Gesang NRW, eine große Bereicherung für den Abend. Man hat zwei Besetzungen zur Verfügung, alles junge SängerInnen aus dem Ensemble, die es wirklich sehr gut machen. Die morgendlichen Kinderfassungen für Schulklassen werden allerdings aus verständlichen Gründen ohne den Kinderchor als verkürzte Version stattfinden. Die letzte Inszenierung von Michael Schulz am MiR überzeugt auf ganzer Linie, beste Unterhaltung inklusive gesellschaftlicher Botschaften. Besser kann man sich szenisch kaum vom Haus verabschieden. Richtig große Schuhe für die Nachfolge 2026! Datum: 9. November 2024 musiktheater-im-revier.de |
Oper 'Hänsel und Gretel' im MiR, Foto: Karl und Monika Forster nächstes Foto |