„From England With Love“ lautet der Titel der großartigen Choreografie von Hofesh Shechter, die im Theaterzelt beim Düsseldorf Festival präsentiert wird. Es ist die Nachwuchs-Kompanie Shechter II, alles junge Tänzerinnen und Tänzer zwischen 18 und etwas über 20 Jahren, die noch wichtige Erfahrungen sammeln müssen. Das können sie durchaus bei dieser Choreo. Thematisch geht es um England, die seit 2004 Wahlheimat des Israeli Hofesh Shechter. Viele Traditionen und Eigenarten prägen dieses Land. Wir vom europäischen Festland haben gewisse Klischees von dieser Insel. Die Kinder tragen Schuluniformen. So geht es gleich los, inklusive Schulrucksäcken. Die acht High-School-Kids formieren sich als Gruppe und arbeiten vornehmlich mit ihren Armen und Händen, die wie bewegliche Arme von mehrarmigen Kerzenleuchtern wirken. England ist voller Klischees. Es soll dort sehr oft regnen. Akustisch wird der prasselnde Regen mit eingebaut, nass wird niemand. Ein Teeservice geht scheppernd zu Bruch. Wir haben gesellschaftliche Unruhen im Sinn. Hat man die Schule hinter sich gebracht, die Uniform abgelegt, beginnt das Leben, das Erwachsenwerden. Die jungen Leute rangeln, revoltieren und beginnen Konflikte. Die Aggressivität wird deutlich. Das alles wird hervorragend tänzerisch umgesetzt, sehr dynamisch, synchron und bildhaft. Man hört Schüsse, die vieldeutig sind. Der englische Adel trifft sich gerne zur Jagd. Es können auch Unruhen in Nordirland sein, die dargestellt werden. Die englische Geschichte hat so viele Themen zu bieten, an die Shechter thematisch anknüpfen könnte. Irgendwo spielt ganz sicher auch der Brexit direkt oder indirekt mit. Tänzerisch ist es auf jeden Fall beeindruckend zu erleben, wie dynamisch diese Kompanie auftreten kann. Sie sind noch jung und voller Energie. In gewissen Szenen hat man schwarze Breaks eingebaut und Szenen auf diese Art und Weise aneinander gereiht. Es ist beeindruckend, wie schnell die acht TänzerInnen in den sehr kurzen Dunkelphasen ihre neuen Positionen finden. Welch erstklassige Schule die MiR Dance Company in Gelsenkirchen für den zeitgenössischen Tanz ist, das zeigen Holly Brennan und Matthea Lára Pedersen. Beide waren eine Zeit lang Mitglied der dortigen Kompanie unter Guiseppe Spota. Auch die anderen, Yun-chi Mai, Eloy Cojal Mestre, Piers Sanders, Rowan Van Sen, Gaetano Signorelli, und Toon Theunissen können stolz sein, in London tanzen zu dürfen, denn sie haben sich im Vorfeld gegen über 1.000 weitere Bewerbungen durchgesetzt, ein knallharter Auswahlprozess. Musikalisch hat Hofesh Shechter wieder seine Finger im Spiel, alles aus seiner Feder. Von feierlichen Hofklängen bis hin zu fetten, stampfenden Beats reicht die Auswahl. Es wird teils ziemlich laut. Der manchmal doch recht unterschiedliche Soundtrack harmoniert wunderbar mit der Choreografie. Hervorzuheben ist noch das sehr passend Licht von Tom Visser. Alles in allem überzeugt dieser Abend auf ganzer Linie, ein Genuss für Freunde des zeitgenössischen Tanzes. Datum: 17. September 2024 duesseldorf-festival.de |
Tanzabend 'From England With Love' beim Düsseldorf Festival 2024, Foto: Todd McDonald nächstes Foto |