Das 48. ComedyArts Festival in Moers zeigte sich inhaltlich von einer neuen Seite, humoristisch, wie auch künstlerisch. Ob man allerdings immer mit dem Zeitgeist schwimmen muss, bleibt als Frage im Raum. Der Auftakt am Donnerstag begann namhaft. Gerburg Jahnke und Lisa Feller waren vielen Besuchern ein Begriff. So war die Festivalhalle sehr gut gefüllt, die Erwartungen hoch. Gerburg betrat als erste die Bühne. In gewohnter Art begrüßte sie das Publikum und holte Lisa Feller hinzu. Die beiden wollten ihre Podcast-Reihe fortsetzen, also ein Gespräch mit vorher nicht definiertem Inhalt. Also, dann mal los. Viel Gehaltvolles kam aber leider nicht dabei rum. Hängengeblieben sind nur ein paar sexuelle Andeutungen, das Jammern ums Älterwerden und der Eierlikör, der ordentlich floss, auch als Gabe an das Publikum. Man merkte es schnell am Gekicher auf der Bühne. Irgendwie lief dieser Podcast sehr flach aus dem Ruder. Nach einem schnellen Abgang folgte das Damenduo „Suchtpotential“. Der Abend bekam endlich den würdigen Rahmen, den man erwartet hatte. Pianistin Ariane Müller und Sängerin Julia Gámez Martin hatten ein Programm zu bieten, welches sich gewaschen hatte. Sie spielten sich mit ihrer Musik-Comedy den Ball klasse hin und her. Mit kluger Wortakrobatik rissen sie die Besucher mit. War früher wirklich alles besser? Aus Walter wurde Waltraud von der Vögelweide, das Mittelalter, musikalisch mit Pest, Kirche und Gomorra auf der Bühne. Die Jugend von heute bekam ebenso ihr Fett weg. Die können sich ihre Alkopops nicht mal mehr selbst mischen. Auch der Typ von Mensch der es stets besser weiß, wurde durch den Kakao gezogen. Als Beispiel wurden Klugscheißer in der Düsseldorfer Oper klischeehaft erwähnt. Dann vielleicht doch lieber den Gegentypus, denn „Dumm fickt gut“, wie einer ihrer Songs heißt. Dass Frauen nicht besser als Männer sind stellten sie mit dem Song „Wir sind genauso scheiße wie ihr“ klar. Ihr Programm ist so herrlich humorvoll, bissig, klug und am Puls der Zeit. Musikalisch haben beide sowieso jede Menge zu bieten, am Klavier oder stimmlich. Der zweite Tag wurde als „Fresh friday“ betitelt. Es war der Start in das Wochenende. Schon der spärlich belegte Saal hinterließ Fragen. Die Tribüne war komplett verhängt und das Parkett nicht gut besucht. An einer konnte es jedenfalls nicht liegen. Leslie Clio ließ zu Beginn ihre tolle Stimme erklingen. Sie ist eine wunderbare Musikerin, die es als Moderatorin allerdings an diesem Abend schwer hatte. Ein gefühltes CSD-Programm moderiert sie wohl eher selten. So beließ sie es beim Ablesen, um nichts falsch zu machen. Unten saß ein reifes Publikum, das für ihre beiden musikalischen Beiträge akustisch sehr dankbar war, der lauteste Applaus des Abends. Es folgte Coremy, eine 25 Jahre junge Musik-Comedian, die ihr Talent zeigte, ein stilistisch starker Auftritt mit Gitarre und Klavier. Sie steht offen zu ihrer Homosexualität, was man ihren Beiträgen auch entnehmen konnte. Thematisch steckt sie allerdings noch sehr in ihrer sexuellen Nische. Sollten ihre Themen in reiferen Jahren mehr in die Breite der Gesellschaft gehen, kann eine richtig Große aus ihr werden. Das Zeug hat sie. Den Förderpreis einer regionalen Tageszeitung durfte sie mit Nachhause nehmen,ihr erster Preis überhaupt. Auch am zweiten Tag stand ein Podcast auf der Bühne. Dieses Mal unterhielten sich 1LIVE Moderator Benni Bauerdick und Lena Kupke. Den meisten im Publikum werden sie unbekannt gewesen sein. Man tauschte sich über die Kunst der Comedy, das Schreiben von Romanen und über das Theater aus, durchaus interessant. Das Gespräch hatte eine klare Linie und auch Tiefgang. Humor, wie man es bei ComedyArts erwartet, vermisste man jedoch. Nach der Pause erlebte man Jean-Phillipe Kindler, einen merkwürdigen Satiriker, der laut eigener Aussage, zuletzt einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbracht hat. Seine Gesinnung kann man als extrem links bezeichnen, also niemand, der das Moerser Publikum in irgendeiner Weise ansprechen kann. Tat er dann auch nicht. Das war kein fein und wohl geschliffenes Kabarett eines Dieter Hildebrandt, Frank Goosen oder Jochen Malmsheimer. Grob und hasserfüllt legte er seine Finger in gesellschaftliche Wunden. Ja, die gibt es durchaus. Guter Humor benötigt aber auch eine gesunde Portion Augenzwinkern. Damit konnte er leider nicht dienen. Der Höhepunkt folgte zum Schluss. Qeerberg Beauty Quings nennt sich die Gruppe aus wie auch immer sexuell orientierten Flüchtlingen, die in Berlin dieses Kollektiv gegründet hat. Spaß in einer schlechten Welt zu verbreiten ist ihr Motto. So weit so gut und auch richtig. Es folgten Auftritte einzelner Mitglieder in schillernden Garderoben oder im eher abstoßenden SM-Outfit zu Playback-Gesang. Was im RevuePalst Ruhr in Herten professionell und stilvoll zu erleben ist, wirkte hier wie eine bunte Klamauk-Show auf einer viel zu kleinen Bühne und ohne den richtigen Rahmen. Travestie benötigt absolute Professionalität, um in der breiten Masse anzukommen. Nur etwa ein Dutzend Besucher hatte hörbar Spaß an dieser Darbietung. Das hätte man als Veranstalter auch ahnen können. Noch ein paar Worte zum Rahmen. Für die gesamte Atmosphäre erweist sich die Umgestaltung des Vorplatzes durch die Stadt Moers eher negativ. Gemütliche Bäume mit Lichterketten und fotografischen Erinnerungen an vergangene Ausgaben fehlen leider gänzlich. Die Aufenthaltsqualität hat sich deutlich vermindert. Alles ist sauber gepflastert, jedoch fehlt die heimelige Stimmung unter den Baumkronen. Fazit: Caroline Peiter und Stefan Basso haben noch jede Menge Arbeit, um mit noch nicht wirklich vorhandenem Gespür für das Publikum ein Programm für 2025 zu konzipieren. Man denkt mit Wehmut an Holger Ehrich, zwölf Jahre lang bis 2018 als künstlerischer Leiter in Moers tätig. Er zauberte immer wieder internationale Top-Überraschungen auf hohem Niveau aus dem Hut, auf die man neugierig war, Clownerie, Pantomime und andere spannende Kleinkunst. Echte Perlen und Entdeckungen, die humoristisch ankamen! Heute bekommt das Ü40-Publikum, eher konservativ und hetero orientiert, Live-Podcasts, einen ziemlich schrägen Satiriker und schrille Queer-Shows als Humor vorgesetzt. Wo ist nur das feine Näschen für guten Humor, das Niveau geblieben? Ist TikTok wirklich die Bühne für eine qualitative Recherche neuer Ideen? Jeder darf gerne lieben und leben wie er oder sie es möchte, aber sein Publikum sollte man als Veranstalter kennen. Die BesucherInnen werden mit den Füßen abstimmen. Datum: 12. und 13. September 2024 (+ 14. und 15. September 2024) comedyarts.de |
Festival 'ComedyArts' 2024 in Moers, Gerburg Jahnke und Lisa Feller, Foto: Jehle nächstes Foto |