Das Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen feierte mit Cross-Over-Abend „Carmina Burana“ eine sehenswerte Premiere. Alleine schon der Titel „Carmina Burana“ lässt die Ohren wohlwollend klingeln. Man hat einige Melodien sofort im Kopf. Aus der Oper wird im MiR nun eine besondere Mischung aus Tanz, Orchester, Solisten und einem großen Chor, alles sichtbar auf der Bühne. Der Auftakt findet jedoch im Foyer statt. Die Choreografie „Somos“ gewann beim „Internationalen Duett-Wettbewerb 2024 in Rotterdam den Publikumspreis, was gut nachvollziehbar ist. Die Arbeit von Carla Cervantes Caro und Sandra Egido Ibanez wurde u. a. von Camilla Bizzi und Chiara Rontini glanzvoll dargeboten, inmitten der Besucher auf einer orangen Insel. Ganz intim und niemals ohne Körperkontakt setzten sich die zwei Akteurinnen sich mit ihrer Gegenüber auseinander. Man wusste oft nicht, ob es gerade Arme oder Beine waren und von wem sie stammten. Mal verknäulten sie sich, ehe wieder starke Kraftteile folgten. Richtig klasse! Die Choreo ist sehr anspruchsvoll und ein echter Augenschmaus, alles begleitet von einem Klavier. Im MiR konnte man zwischen zwei Bühnen im Foyer wählen. Nach der klasse Vorspeise versammelte man sich im großen Saal. Eine „Carmina Burana“ weckt große Erwartungen. Teilweise wurden sie auch erfüllt. Die Neue Philharmonie Westfalen und den Opernchor, geleitet von Rasmus Baumann und Alexander Eberle, gemeinsam auf der Bühne zu erleben, ist ein echtes Erlebnis, besonders zu diesen wundervollen Klängen. Auch die Gesangsolisten Margot Genet, Martin Homrich und Simon Stricker konnten voll überzeugen. Für die Choreografie war Alessio Monforte verantwortlich. Eigentlich ist er tänzerisches Mitglied der MiR Dance Company, doch für diese Produktion überließ ihm Tanzdirektor Giuseppe Spota die Kreativarbeit, also völlig freie Hand für den Nachwuchs. Die Verantwortung nahm er an. Man war sehr gespannt auf das Ergebnis eines Rookies. Zu einem lebendigen Bühnenbild von Guiseppe Spota formte er eine Choreo zum Thema Clubbing. Die Clubbing-Szene war vermutlich nicht vielen BesucherInnen im Saal ein Begriff, der jungen Generation hier und da bekannt. Entgegen der Disco der vorhergehenden Generationen scheint man hier relativ alleine zu bleiben, denn man kommt nur kurz zusammen, um sich wieder gegenseitig zu entfernen. Es fehlt die Empathie. Die gesellschaftliche Vereinsamung scheint selbst in neuzeitlichen Clubs spürbar zu sein. Alessio Monforte sieht sein Werk im Programmheft „zwischen Konzeptkunst und erzählerischer Aufführung“. Große Formulierungen, aber eine klare Definition ist das nicht. Man könnte das Gesehene auch als abstraktes Tanztheater bezeichnen. Jedenfalls ist es athletisch anspruchsvoll und durchaus sehenswert. Sie bewegen sich wie Roboter oder gefühlt zu harten Rhythmen, verstecken sich auf verschiedenen Ebenen oder rennen suchend ihrer Sehnsucht hinterher. Eine definierte Botschaft für den Heimweg sucht man aber vergeblich. Jeder kann sich seine eigene Meinung dazu bilden. Schade! Tja, was hat die Clubbing-Szene mit einer „Carmina Burana“ zu tun? Die junge Generation tickt eben anders als das Gros der eher reiferen BesucherInnen. Wenn man die verschieden Genre wertet fällt auf, dass sich der Tanz hier weniger stark gegen die große Partitur des Orchester und des häufig erklingenden Chores durchsetzen kann. Alessio Monforte nimmt zwar stets das Tempo der Musik auf, aber so eine richtige, gefühlte Verbindung vermisst man. Es gibt übrigens auch leider keine Übertitel der Gesangspartien. Gefühlt ist es ein Nebeneinander zwischen Tönen und Moves. Das Orchester und der Chor tragen den Abend mit einem großen Klangvolumen und als akustischer Ohrenschmaus. Datum: 19. Oktober 2024 musiktheater-im-revier.de |
Cross-Over 'Carmina Burana' im MiR, Foto: Isabel Machodo Rios nächstes Foto |