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Ballett 'Carmen' im Aalto Theater
Das Aalto Theater in Essen hat eine absolut sehenswerte Premiere des Balletts „Carmen“ seinem Publikum präsentiert. Die Version des schwedischen Star-Choreografen Johan Inger wurde im Saal frenetisch gefeiert.

„Carmen“ ist ein Stoff, der bei seiner Uraufführung als Oper komplett durchfiel. Heute ist das Thema eines der meinst gespielten Bühnenwerke überhaupt. In Essen hat man sich für die zeitgenössische Choreografie von Johan Inger entschieden. Sie umfasst drei verschiedene Bearbeitungen: George Bizet, Rodion Schtschedrin und Marc Alvarez. Dabei verschiebt er den Fokus etwas weg von Carmen (Yuki Kishimoto) und hin zu Don Jose (Wataru Shimizu). Seine Eifersucht steht emotional im Licht. Inger strich sogar Nebenstränge und -figuren. Trotzdem bleibt es eine Dreiecksgeschichte voller Drama, die auf außergewöhnliche Art aus der Sicht eines Kindes (Sena Shirae) belichtet wird. Es betritt die Bühne in unschuldigem Weiß und beobachtet den blutigen Fortgang der Geschichte. Aus Weiß wird im 2. Akt Schwarz. Der Verlust der Unschuld ist unausweichlich.

Diese besondere Herangehensweise an den Stoff wird auch in der Choreografie deutlich. Die Grundstruktur ist zu erkennen. Die Arbeiterinnen verlassen die Fabrik, während die Herren sich anbieten. Auch die Freiheitsliebe von Carmen wird deutlich. Wem soll sie sich hingeben? Die Szenerie ist sehr passend gewählt und mit Fortlauf der Handlung steigert Don Jose seine Emotionen, sieht nur noch einen Ausweg. Sehr gut tänzerisch dargestellt! Dazu tragen ebenso die komplett schwarz gekleideten Figuren bei, die mehr als eindeutig die Todesahnung bzw. den finalen Tod der beiden Opfer begleiten. Klasse, wie sie als Gruppe agieren.

Nach dem schon sehr guten 1. Akt setzt der 2. Akt szenisch den großen Glanzpunkt. Die Figuren agieren aus aus einem Vorhang aus senkrechten, ganz feinen Drähten. Sie können aus der Abwärtsspirale nicht ausbrechen, sind Gefangene ihres Handelns. Dabei rollen diverse Protagonisten sich über den Boden. Die Bühne wird ziemlich duster und entwickelt sich dabei extrem spannend. Man wird als Betrachter vom Geschehen regelrecht gefesselt. Die Symbolik ist hervorragend.

Musikalisch können die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Thomas Herzog voll überzeugen. Es ist keine typische Bizet-Partitur. Die bekannten Melodien sind vorhanden, aber oft nur als gut erkennbare Fragmente. Den Rest hört sich der Kopf hinzu. Johan Inger hat die Partitur geschickt aufgebrochen, entstaubt und zu einem spannenden Ballett-Soundtrack zusammengefügt. Im Orchestergraben findet man neben den Streichern 47 Schlaginstrumente, die das Drama besonders betonen. Er entwickelt sich immer dichter. Zum Ende sind es nur noch dunkle, elektronische Klänge vom Band, die den moralischen Sumpf vollenden, großartig im Zusammenspiel mit dem Bühnenbild im 2. Akt.

Dieses Bühnenwerk ist eine fantastische „Carmen“ 3.0. Manchmal muss man klassische Werke einfach mal etwas quer denken, ohne dabei szenisch zu überdrehen. Johan Inger ist dies vorzüglich gelungen, eine klare und konsequente Choreografie der Neuzeit. Er war persönlich bei der Premiere in Essen anwesend, erlebte eine große Premiere im Aalto Theater.

Datum: 13. Oktober 2024

www.theater-essen.de

Ballett 'Carmen' im Aalto Theater, Foto: Bettina Stöß

Ballett 'Carmen' im Aalto Theater

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