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Schauspiel 'Draußen vor der Tür' im Schauspiel Duisburg
Der Spieltrieb des Schauspiel Duisburg präsentiert sehr sehenswert den Klassiker und hochaktuellen Stoff „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert.

Der Krieg ist aus. Die Männer kehren aus der Gefangenschaft nach Hause zurück, ein Ort der nun aber kein Zuhause mehr ist. Die Frauen haben nicht auf sie gewartet, sich einen neuen Kerl genommen. Aus Hoffnung auf einen Wiederbeginn wird Hoffnungslosigkeit. Viele stürzen sich in die Elbe, um dem Leid durch den ewigen Schlaf zu entkommen. Beckmann (Ferit Albayrak) ist auch so einer. Als Unteroffizier schickte er einige Soldaten in den Tod oder riskierte ihre Gesundheit. Das Gewissen plagt ihn. Selbst er brachte ein steifes Knie mit und eine auffällige Gasmasken-Brille, denn eine richtige kann er sich nicht leisten.

So stellt sich ihm die Frage, ob er für die neue Gesellschaft überhaupt noch ein wertvoller Beitrag ist, noch gewollt ist, nach all den Leiden des Kriegs. Selbstzweifel plagen ihn. Zum Leben sagt er eher Nein als Ja. Wäre da nicht die Elbe, die ihn nach einem Suizid-Versuch halbtot an den Strand spült und der Andere (Maxi Maria Remy), der ihm immer wieder intelligent ins Gewissen redet, ihn geleitet. Sind Beckmanns Zweifel größer als die gut gemeinten Worte, so muss der Andere, ein Wesen mit 1000 Gesichtern, auch mal laut werden und Körperlichkeit zeigen. Schließlich kann er die Liebesbekundungen eines Mädchens (Lea Sehlke) nicht dauerhaft ausschlagen, sozusagen die vorläufige Rettung für eine vom Krieg geschundene Seele in letzter Sekunde.

Das Thema ist ein wichtiger Teil deutscher Geschichte. Kriegsheimkehrer fanden es häufig genauso vor wie Beckmann. Ihren Frauen hatten sich anders entschieden, wollten ihren körperlich und seelischen Krüppel nicht wieder zurück. Der Krieg verändert Menschen. Brutale Erinnerungen lassen sich nicht aus dem Gedächtnis verdrängen. Sie prägen den Rest des Lebens. Anderen gelingt das offenbar aber besser. Der Altnazi, ein ehemaliger Oberst und Vorgesetzter von Beckmann, lehnt es ab, die Verantwortung von ihm überlassen zu bekommen. Hämisch macht er sich über Beckmann lustig. Auch der Kabarettdirektor (beides Arman Marvani) würde Beckmann ja anstellen, aber die Realität gehört nicht auf die Bühne. „Wer will denn heute etwas über die Wahrheit wissen?“

Krieg und Wahrheit, das schließt sich oft aus. So lässt sich der Stoff auf zahlreiche Kriege weltweit übertragen. Überall verlassen Männer ihre Frauen und kämpfen freiwillig oder gezwungenermaßen für ihr Land. Sie morden feindliche Soldaten, kommen selbst zu schaden oder sorgen in der Zivilbevölkerung für brutale Verluste und Leid. Krieg ist kein Mittel, um Frieden zu schaffen. Einige aktuelle Schauplätze werden bewusst im Stück namentlich genannt, darunter die „Mittelmeertoten“, „die Toten der Ukraine“ und die „Toten von Gaza“. Viele unschuldige Menschen verlieren ihr Zuhause, ihre Angehörigen, Freunde und eine Lebensperspektive. Erwähnt werden auch die „Halbtoten“, also überlebende, psychische Wracks, die eines glücklichen Lebens nicht mehr fähig sind, wie Beckmann. Manche Staatsführer möchten aus den Fehlern der Vergangenheit bewusst nichts lernen. Die aktuellen Krisenherde stehen bei dieser Inszenierung indirekt mit auf der Bühne.

Es ist ein harter Stoff, doch die jungen Nachwuchsdarsteller zwischen 17 und 23 Jahren machen ihre Sache sehr gut. Herausragend spielt Ferit Albayrak den Beckmann, voller Körperlichkeit, Leidenschaft und Einfühlungsvermögen. Er könnte einem frisch ausgebildeten Schauspieler durchaus schon das Wasser reichen, trotz seiner jungen Jahre. Ein besonderes Lob an ihn. Die Verantwortlichen und Akteure des Spieltriebs leisten sehr gute Arbeit. Auch die Regisseurin Juliette van Leon ist noch jung am Jahren, eine richtig gelungene und spannend präsentierte Inszenierung. Es ist ein Stoff, den man sich in Zeiten von oftmals sehr traurigen Nachrichten verinnerlichen sollte.

Datum: 5. Januar 2023

www.theater-duisburg.de

Szenenfoto, Foto: Sascha Kreklau

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